Kurzreisen und Städtetrips

Rundfahrt durchs Sudetenland

Mit dem Auto in wenig bekannte Gebiete Tschechiens

Unbekanntes Sudetenland

Ein alter Freund rief mich an, ob ich Lust hätte, ihn auf einer Autotour durch das Sudetenland zu begleiten. Er wollte die Heimat seiner Eltern kennenlernen und allgemein einen Eindruck von der Gegend gewinnen. Eine interessante Gelegenheit! Auch meine Mutter stammt aus Mähren. Interessant auch, weil diese Gegend ein weisser Fleck auf meiner persönlichen Landkarte ist. Ganz zufällig ist das wohl nicht, schliesslich konzentriert sich der Tourismus in Tschechien auf die grossen Städte, während das Hinterland wenig erschlossen ist. Es ist fast ein Abenteuer, mitten in Europa.

Wir treffen uns in Karlsbad. Bis dahin bin ich also mit Bus und Bahn unterwegs, und von da fahren wir gemeinsam mit dem Auto nach Osten und weiter im Gegenuhrzeigersinn durchs Sudetenland.

Eine Geschichte von Annektion und Vertreibung

Das Sudetenland umfasst Böhmen, Mähren und den tschechischen Teil Schlesiens, mit grösseren ehemals von Deutschen besiedelten Gebieten und deutschen Sprachinseln. Die gab es, bis die Bewohner deutscher Abstammung als mutmassliche Mitläufer des Naziregimes 1946 enteignet und aus ihrer Heimat vertrieben wurden. Deutsch und Deutsche waren von da an in höchstem Maße unerwünscht, insgesamt drei Millionen Menschen mussten das Sudetenland verlassen. Auf ihrem Grund wurden Neubürger aus anderen Teilen des Landes angesiedelt, meist Tschechen und etwa 200.000 Slowaken. Das Eigentum der Vertriebenen gab es kostenlos dazu.

Dieses Ereignis sucht seinesgleichen: Die Bevölkerung eines Landes wurde getauscht. Rund zwei Drittel der Menschen im Sudetenland leben seitdem in einem Gebiet, in dem sie keinerlei Wurzeln und keine kulturelle Geschichte haben.

Sprachprobleme

Inzwischen ist viel Zeit vergangen. Und doch könnte irgendwo da die Erklärung dafür liegen, dass im Sudetenland kaum Fremdsprachen gesprochen werden.

Die Menschen sind nett, liebenswert und freuen sich über Gäste aller Länder, aber sie sprechen kein Wort in einer andern Sprache. Dabei hätte man Deutsch jedenfalls gebraucht, um die eigene Geschichte zu verstehen. Grade das ist aber keine Option. Zu stark waren die heterogenen Volksstämme, die ursprünglich in Frieden und Freiheit zusammengelebt und nach Autonomie gestrebt hatten, durch den Anschluss ans deutsche Reich aufgemischt worden: „Reichsgau Sudetenland“ hatte es nach dem Münchener Abkommen geheissen. Nach dem Krieg wurde das im Sozialismus russischer Prägung dann ins Gegenteil verkehrt: alles Deutsche raus.

Also wurde Deutsch in den Schulen nicht mehr unterrichtet. Und andere Sprachen? Die brauchte man dann wohl auch nicht. Englisch? Eine bedauernde Geste als Antwort, selbst bei der jüngeren Bedienung im Restaurant unseres Hotels.

Unsere Stationen:

Hradec Králové, Königgrätz

Eine weltoffene, rundum sympathische Stadt. Museen, Geschäfte, Restaurants, nette Leute. Was uns grade wichtig ist: Es gibt mehrere Bäckereien, die für wenig Geld selbstgemachte Leckereien anbieten und erstklassigen Kaffee. Wir fühlen uns so wohl hier, dass wir viel zu spät wieder aufbrechen.

Hyncina, Unterheinzendorf

ist ein Ort bei Hohenstadt in Mittelmähren. Nur die eine Seite des Dorfes ist bewohnbar, der Rest ist halb oder ganz verfallen. So kommt es, dass selbst die Kirche nicht mehr im Dorf steht, sondern etwas abseits auf einem Hügel. Die Stimmung ist nicht gefällig, und wir gefallen auch nicht. Gleich am ersten Haus, als wir versuchen, mit einem Ortsansässigen ins Gespräch zu kommen, fühlt der sich sichtbar gestört. Er versteht keine Sprache ausser Tschechisch, und wir kommen uns wie Eindringlinge vor und fahren bald weiter.

Rymarov, Römerstadt

Heute ist Markttag, und das Angebot an lokalen Früchten und Backwaren ist verlockend. Lebhaftes Treiben in gutgelaunter Atmosphäre macht den Besuch zu einem Erlebnis. Ich hätte gerne einen Käsekuchen mit nach Hause genommen, leider keine gute Idee ohne Kühlung.

Das historische Museum ist gleich bei der Touristeninformation. Man spricht zwar auch da keine Fremdsprachen, aber in der Verwaltung gibt es einen jungen Mann mit Deutschkenntnissen. Der Name der Stadt, erklärt er uns auf unsere Frage, komme daher, dass die Stadt von einem Mann namens Römer gegründet wurde. So recht überzeugend finden wir das nicht, dafür sind die Erläuterungen zu den Ausstellungen des Museums umso ausführlicher.

Im Restaurant des Hotels hilft die Übersetzer-App mit gross eingestellter Schrift, sodass wir unabhängig von der Umgebungslautstärke bestellen können. Etwas original Tschechisches wäre schön. Mein Freund tippt: „Ich hätte gerne etwas mit Knödeln“. Klar, gibt es. Und für mich bitte einen Fisch. Ich denke da an eine frisch gefangene Forelle. Leider falsch gedacht, die Fritteuse hat Hochkonjunktur, das Essen ist ein Reinfall.

Altvatergebirge

Das traumhaft schöne Mittelgebirge gehört zur Gebirgskette der Sudeten im Nordosten Tschechiens. Wir finden einen höher gelegenen Parkplatz, und von da wandern wir auf die Hohe Heide, eine Bergheide in 1450 m Höhe im Nationalen Naturreservat Altvater. Man hat hier einen weiten Blick über die Täler und auf den höchsten Gipfel, den Altvater. Dort gibt es einen Fernsehturm und ein Restaurant, beides sehr beliebt vor allem bei einheimischen Besuchern.

Viel Natur sieht man hier, und trotz Wintersport-Anlagen keine Verschmutzung. Es gibt einige Absperrungen, die von den Besuchern auch respektiert werden. In diesem Gebiet möchte ich mich nochmal ausgiebiger umsehen und etwas weiter wandern.

Reichenstein, Złoty Stok,

ist der letzte Punkt unserer Sudeten-Rundfahrt. Der Ort liegt im Norden, auf der polnischen Seite der Landesgrenze. Reichenstein war für seine Gruben bekannt, für die Förderung von Gold und Arsen. In die Stollen auf einer der Ebenen kann man hineingehen, und ein Bergwerksmuseum zeigt Exponate der Arbeiten unter Tage.

Wir haben ein Hotel am Waldrand gebucht, Złoty Jar, ganz am Ende einer Schotterstrasse unter einem Bergrücken, auf dem die Landesgrenze verläuft. Im Sommer muss die Aussengastronomie ein Touristenmagnet sein, im Winter hat es uns mehr die solide Heizung und der grosse Speisesaal angetan. Ein gastfreundliches Haus, es gibt jederzeit Saft und Tee zur Selbstbedienung im Eingangsbereich, und die Chefin spricht Deutsch.

Das Abendessen ist hervorragend, das Frühstücksbuffet haut einen um. Ein königlicher Abschluss dieser Tour.

Ich lasse mich in Breslau am Busbahnhof absetzen und nehme den Flixbus nach Berlin und weiter nach Hamburg. Ins Sudetenland und nach Schlesien will ich bald noch einmal fahren, mit mehr Zeit. Und dann möglichst mit dem Wohnmobil.

Wie kommt man hin?

Über Prag ist die Anreise ins Sudetenland zunächst mit allen Arten von Verkehrsmitteln möglich.

Ins Zielgebiet gibt es mit der Bahn leider keine wirklich guten Verbindungen. Wer bereit ist, nach der Anreise mit dem ICE in Prag den Bahnhof zu wechseln, um in einen Regio umzusteigen, könnte immerhin bis Olmütz kommen. Spätestens dort müsste man dann doch einen Leihwagen nehmen.

Welches Verkehrsmittel ist das Beste?

Der öffentliche Verkehr ist in Tschechien recht gut ausgebaut, in die entlegeneren Gebiete fahren aber, wenn überhaupt, nur selten Busse. Wenn man also nicht nur in Städten bleiben will und nicht viel Zeit hat, ist man auf das eigene Fahrzeug angewiesen.

Wir werden das nächste Mal mit dem Wohnmobil fahren. Zwar gibt es wenig Stellplätze, und wild campen ist verboten. Es gibt aber schon einige Campingplätze. Und wer an einem ruhig gelegenen Hotel fragt und ein Abendessen oder ein Frühstück anmeldet, wird in der Regel auf dem Parkplatz kostenlos stehen können.

Einreisebestimmungen

  • Personalausweis
  • EU-Führerschein

Es gilt Reisefreiheit nach dem Schengener Abkommen. Allerdings finden im Zusammenhang mit illegaler Migration Kontrollen statt.

Anreise

Am besten alles in einem Rutsch buchen, das sichert einen teils beträchtlichen Bonus

Unterkünfte

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